ganznormal.at – Gesellschaft im Wandel

„Gesellschaft im Wandel“: ganznormal.at Podiumsdiskussion zur Zukunft der psychischen Gesundheit

Bei der Wiener Städtischen Versicherung fand im Ringturm die ganznormal.at Podiumsdiskussion „Gesellschaft im Wandel. Zwischen Aufruhr und Resignation. Die zukünftige psychische Gesundheit am Prüfstand“ statt. Den Beginn machte Julian Jäger, Vorstand des Wiener Flughafens und Vorsitzender ganznormal.at, mit der Begrüßung und den einleitenden Worten zu ganznormal.at, der Plattform für die Gleichstellung von psychischen und physischen Krankheiten. Jäger hob hervor, dass der Verein ganznormal.at sich nunmehr seit 13 Jahren für die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen einsetzt. Darüber hinaus bedankte sich Julian Jäger bei allen Partnern von ganznormal.at, insbesondere bei der Wiener Städtischen Versicherung, die als Gastgeber des Abends fungierte.

Die Auswirkung der Krisen in Europa und weltweit auf die Menschen

Walter Osztovics, Partner von Kovar & Partners, Politikberater und GF Arena Analyse hielt eine Keynote, in der die Rahmenbedingungen und Herausforderungen der Menschen in Europa und der Welt im Mittelpunkt standen. Wenn ExpertInnen in einer Umfrage festhielten, dass Europas Zukunft in Gefahr ist, dann hat das Relevanz auch deshalb, weil wir es alle Tag täglich medial und in Gesprächen erleben. Osztovics ging dann auf die Gegner außerhalb Europas ein auf Russland, China, mitunter auch die U.S.A. in einer etwas geringeren Ausprägung und den globalen Süden inkl. der Brics-Gruppe u.a mit Brasilien und Südafrika und sprach in weiterer Folge die Gegner innerhalb Europas an. Das sind rechtspopulistische nationalistische Kräfte wie in Italien, Ungarn, Finnland, Slowakei, die inzwischen Regierungen anführen. Ein Europa, das heute aus unterschiedlichster ethnischer Bevölkerung und Religionen besteht – u.a. über 50 Millionen Muslime leben in der EU – gerät bei den Themen des Erbes der Aufklärung, der Toleranz und Offenheit, der Menschenrechte, des Laizismus immer öfter unter Druck. Die Migration schafft einerseits durch die kulturellen Unterschiede und das mitunter geringe Bildungsniveau der Einwanderer größere Probleme hinsichtlich der Integration und des Zusammenlebens anderseits ist eine Zuwanderung aufgrund der fehlenden Arbeitskräften unbedingt notwendig, Ausbildung steht dabei im Mittelpunkt. Nur wenn dieser Spagat innerhalb des Zuzugs vernünftig gelöst wird, eine klare Zielsetzung und Einheit innerhalb der EU sichergestellt wäre, hat Europa eine Chance gegen die externen und internen gegnerischen Kräfte zu bestehen. Tatsächlich ist unsere Demokratie in Gefahr, weil einige EU-Länder mit rechtspopulistischer Ausrichtung u.a. die parlamentarische Arbeit als lästiges Aufhalten mit der Pluralität in einem Land ansehen und teils wissenschaftsfeindlich, kulturfeindlich und wirtschaftsfeindlich agieren. Von außen ist unsere Demokratie durch die erwähnten aggressiven autokratischen Mächte in Gefahr, die Krieg und Weltwirtschaftshegemonie in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen. Dazu kommen noch weitere Polaritäten wie Wachstum und Sicherheit, Klimaschutz und Wirtschaft, die uns zu schaffen machen.

Was macht das psychisch mit den Menschen?

Der Tour d`Horizon der Krisen und Konflikte in Europa und der Welt schafften für die anschließende Podiumsdiskussion und die Herausforderungen für die einzelnen Menschen einen Einblick, wie sehr wir heute mit den verschiedensten Botschaften konfrontiert werden. Moderiert von der renommierten Journalistin Gabriele Kuhn diskutierten Alexander Biach, Generaldirektor SVS und Vizepräsident ganznormal.at, Georg Psota, Chefarzt Psychosozialer Dienst in Wien und Vorsitzender stv. ganznormal.at, Psychologin Christina Beran, Vizepräsidentin BOP und Katrin Skala, Psychosoziale Dienste Wien. Für Georg Psota war in der Bevölkerung der gesellschaftliche Wandel nicht angekommen und in den „Antisozialen Medien wird viel dazu beigetragen zu emotionalisieren und Gegnerschaften aufzubauen, die Überhöhung dieser verschiedensten Meinungen führt zu einer Überlastung der einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, was auch auf die Psyche der Menschen Auswirkungen haben kann.“ Katrin Skala ergänzte, dass die Meinungen in den sozialen Medien immer öfter zugespitzt werden, sie machte das am Beispiel Israel oder Palästina deutlich, wo es nur ein Entweder-oder gibt, für rivalisierende Fußballklubs in einem Derby gilt Ähnliches. In diesem Zusammenhang werden große Emotionen in den Diskussionen sichtbar, einen Ausweg daraus gibt es kaum, viele überfordert diese teils „negative Energie“ damit umzugehen. Alexander Biach erkannte in der Überforderung der Menschen in zwischenmenschlichen Beziehungen eine immer größere Empfindlichkeit der Wahrnehmung des Gegenübers. Viele erkennen den Anderen mitunter als Gegner, das Gemeinsame wird oft nicht wahrgenommen oder gesucht. Biach sah grundsätzlich die Angebote, die die SVS bereithält, als wertvoll an, „sie müssen nur auch genützt werden: Wir bieten eine breite Palette von psychologischer Betreuung an darunter finden wir Burnoutscamps für Landwirte genauso wie auch vermehrt digitale Tools, die immer öfter zum Einsatz kommen werden.“ Christina Beran bewertete die Coronazeit als Beschleuniger der Digitalisierung aber auch der zunehmenden Einsamkeit der Menschen: „Sozialer Abstieg und zunehmende Ängste begleiten die Menschen, vermeintliche Ablenkungen in vielschichtigen Formen werden immer größer, die Autobahnen im Gehirn sind sichtbar überlastet.“ Die Wahrnehmung, was wichtig ist und was nicht, wird mitunter schwer erkennbar, die Menschen befinden sich in einem Such- und Suchtkreislauf, letzteres führt immer wieder zu Ausformungen, die zu Alkoholismus, Spielsucht oder anderen Abhängigkeiten führen, was die Psyche stark beeinträchtigt.

Das österreichische Gesundheitssystem: sehr gut und doch immer wieder anzupassen

Der allgemeine Tenor der Diskutantinnen und Diskutanten war, dass wir in Österreich grundsätzlich ein gutes Gesundheitssystem haben, es allerdings noch mehr Anstrengungen bedarf, um die zunehmenden psychischen Belastungen der Menschen rechtzeitig zu erkennen und entsprechende Antworten mit Therapien darauf zu finden. Prävention, Prävention und wieder Prävention – da waren sich alle einig, wie entscheidend das ist. Die Bedeutung von Sport und sozialen Beziehungen wurde zusätzlich ins Treffen geführt, wie auch die notwendige Selbsterkenntnis in den Spiegel zu schauen, um rechtzeitig zu erkennen, wann Bedarf für eine Therapie notwendig ist. Die Verantwortung von Verwandten und Freunden hier zusätzlich aufklärend tätig zu werden, bleibt ebenso eine wichtige Erkenntnis. Insgesamt zeigte das Thema „Die Gesellschaft im Wandel“ mit welchen großen Herausforderungen jeder Einzelne konfrontiert ist und das teils eine gewisse Überforderung der Menschen gegeben ist. Die Angebote des österreichischen Gesundheitssystems bieten allerdings eine Reihe von Möglichkeiten zur Erhaltung oder Wiederherstellung der psychischen Gesundheit.

Beim anschließenden Get-together im Ringturm wurden ua. gesehen Wilhelm Marhold, Gerhard Schuster, Loreta Pfeifer, Susi Schicker, Rudi Semrad, Harry Stefan, Roland Young, Wolfgang Thill, Ralph Vallon, Stefan Höffinger, Jürgen Collombini, Sascha Berndl, Maria Hötschl, Martin Heimhilcher, Willy Turacek, Raphaela Vallon-Sattler