PORR CEO Karl-Heinz Strauss im Interview

Karl-Heinz Strauss, CEO PORR:

„Wir haben keine Baukrise, sondern eine Wohnbaukrise“

Im Interview mit Vienna Eco erläutert CEO Karl-Heinz Strauss die Situation am Infrastruktur- und Wohnbaumarkt und nimmt Stellung zum Thema Personalrekrutierung. Der Tenor insgesamt ist positiv, eine große Rolle spielt dabei der Ausbau der Infrastruktur.

Bauen und Wohnen: Wie ist derzeit die Situation in Wien, Österreich und in den Ländern, wo PORR tätig ist, und welche sind die Herausforderungen?

Karl-Heinz Strauss: Wir haben spannende Zeiten insgesamt. Die Heimmärkte der PORR sind Österreich, wo wir Marktführer sind, Deutschland, Polen, Tschechien, die Slowakei, Rumänien und die Schweiz, und es ist festzuhalten: Wir haben keine Baukrise, wie oft berichtet wird, sondern eine Wohnbaukrise. Beim Infra- strukturbau gibt es eine gute Nachfrage, wie bei Straßen, Tunneln oder Erneuerungen wie in Deutschland oder auch Neubauten in den osteuropäischen Ländern wie in Polen, Tschechien und Rumänien – das läuft inklusive der Finanzierungen in geordneten Bahnen. Ebenso funktioniert der Industriebau noch recht gut, gewerbliche und Hotelbauten sind wieder im Kommen, Bürobauten bleiben selektiv, im Wohnbau im Ein- und Zweifamilienbereich sowie bei den Bauträgern ist allerdings eher Flaute. Der Wohnbauanteil der PORR beträgt nur acht Prozent und somit hat das auf uns keine sehr großen Auswirkungen.

Sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit der Energiekrise schwieriger geworden? Und welche Auswirkungen hat ein eventueller Personalmangel auf die Baubranche?

Strauss: Weil die Energiekrise angesprochen wird: Das ist eigentlich eine Frage eines intelligenten Managements, weil es ist darauf zu schauen, dass man die Energie zur richtigen Zeit hat, wenn man sie braucht. Hätte man rechtzeitig beim Einkauf subventioniert, dort wo man es benötigt, wären die Lohnabschlüsse nicht so hoch geworden. Die Energietransformation ist für uns gleichzeitig eine große Chance, weil die notwendigen Veränderungen ohne Bauen gar nicht möglich sind. Urbanisation und Infrastruktur insgesamt sind einer der Megatrends weltweit. Deshalb schauen wir sehr zuversichtlich in die Zukunft.

Zum Personalthema: Hier haben wir derzeit keine Krise, es ist sogar sehr entspannt, weil gleichzeitig eine Reihe von Firmen Personal abbaut, den Klein-und Mittelunternehmen der Haus- und Wohnbau fehlt und daher genug Leute am Markt verfügbar sind. Es bleibt: Gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind immer zu wenige verfügbar. Gleichzeitig ist die demografische Entwicklung eine Herausforderung. Trotz vieler digitaler Entwicklungen in der Baubranche, wie bei der Planung, Koordination oder dem Projektmanagement, ist das Bauen unmittelbar handwerklich und persönlich. Beton mischen und dann verarbeiten zum Beispiel ist und bleibt eine Arbeit auf der Baustelle. Darüber hinaus haben wir vorgesorgt: Wir bilden in der PORR Academy in ganz Europa unsere Leute aus und sind damit gut unterwegs. Wir waren die Ersten, die einen eigenen Campus für Lehrlinge und Facharbeiter geschaffen haben. Mit unserer Erfahrung aus Doha, wo wir u. a. die U-Bahn oder ein Fußballstadion gebaut haben, ist es uns gelungen, nun auch für Rumänien 200 Inderinnen und Inder zu rekrutieren. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das in Rumänien sehr gut funktioniert hat, in Tschechien allerdings nicht.

Wien hat am freien Wohnungsmarkt ein kompetitives Umfeld. Was bedeutet das für die PORR?

Strauss: Es gibt eine Wohnbaukrise, keine Frage, insbesondere ist der Bedarf an leistbarem Wohnbau sehr groß, wobei der Platz am Boden zunehmend eingeschränkt ist. Daher müssen wir in die Höhe bauen, um den Bedarf an Wohnraum in wachsenden Städten abdecken zu können. Verkehr in den Städten soll vermehrt nach unten gehen und somit erlebbare Freiräume für die Menschen geschaffen werden inklusive einer effektiven Beschattung. Das gilt auch für die Gebäude der Zukunft, wo wir gegen die Hitze Vorkehrungen treffen; hier haben wir viel Erfahrung. Hier gilt es für den leistbaren Wohnraum gleichzeitig so zu bauen, dass die Kosten vertretbar sind. Wir sind in diesem Modell darauf vorbereitet, dass wir gut geschnittene Wohnungen in Häusern bis zu sechs Stockwerken mit Preisen unter 2000 Euro pro Quadratmeter bauen können. PORR ist darüber hinaus Baufirma für den gemeinnützigen Wohnbau. Hier passiert derzeit wieder viel: Das sind jene Projekte, die schon seit zwei, drei Jahren in Planung waren und jetzt auch finanziert und umgesetzt werden. Viel Neues ist noch nicht unterwegs, das wird noch eine gewisse Zeit brauchen. Am freien Wohnungsmarkt ist das Thema der Finanzierung nach wie vor herausfordernd, u. a. durch die KIM-Verordnung oder teure Grundstücke.

Von der derzeitige Situation bei der PORR ausgehend: Wohin geht die Reise und wie kann an der Reduzierung der Bürokratie gearbeitet werden?

Strauss: Wir haben eine gute Auslastung und einen Auftragsbestand von ca. 9 Milliarden Euro. 2025 ist ein gutes Jahr für PORR mit Chancen auf mehr. Trotz aller Unkenrufe: Die Infrastruktur wird gebraucht, auch die 500 Milliarden Euro, die Deutschland aufgerufen hat, sind ein positives Signal – allerdings dauert das bis zur Umsetzung noch drei bis vier Jahre. Hier steht auch die Bürokratie im Wege, weil Ausschreibungs- und Planungsverfahren viel Zeit in Anspruch nehmen. Neue Verordnungen mögen gut gemeint sein, in der Praxis haben sich bisher keine Besserungen ergeben. Dort, wo bis zu 400 Prozent an Bürokratie in den letzten Jahren aufgebaut wurde, gilt es wieder abzubauen; lange Verordnungen sind schwer verdaubar für die Branche. Beim ESG-Thema – PORR ist eine der nachhaltigsten Firmen Europas – wird das deutlich: Früher hatten wir 180 Datenpunkte, jetzt sind es über 1180 geworden. Das heißt, leider sind für die Zukunft keine großen Veränderungen ersichtlich. Um der gesamten Baubranche wieder Vorteile zu verschaffen, müssten grundlegende Maßnahmen ergriffen werden

Foto: © Arnim Kilgus

Foto: Auftrag für PORR – die Filstalbrücke in Deutschland