Sehnsuchtsort Triest
Immer mehr Wiener zieht es wieder nach Triest – wenigstens für ein romantisches Wochenende.
„Triest erschließt sich einem nicht auf Anhieb, sondern verlangt Zeit. Etwas also, das gerade vielen Touristen heutzutage abgeht, wenn sie auf der Suche nach starken Eindrücken und spektakulären Selfie-Motiven drängelnd durch Italiens Kulturstädte hasten. Triest indessen fordert den Besucher. Die Stadt beansprucht, dass man sich auf sie und ihren rauen, oft melancholischen Charme einlässt, sich mit ihrer bewegten Geschichte beschäftigt, mit ihrer speziellen geographischen Lage und mit dem einzigartigen Gemisch aus Völkern, Sprachen und Kulturen, das sie geformt hat“ (Georges Desrues, „Triest für Fortgeschrittene“, Styria Verlag).
In den letzten Jahren hat sich – neben Venedig – auch wieder die norditalienische Hafenstadt Triest als Sehnsuchtsort für viele Wiener Städtetouristen herauskristallisiert. Und wenn man Glück hat und keine Autobahn-Staus, braucht man mit dem Auto auch nicht viel länger als fünf Stunden, um ans ersehnte Ziel zu kommen. „Vienna: Eco“ zeigt, wie man sich in der ehemaligen Habsburger-Metropole ein erquickliches Wochenende gestalten kann …
Wohnen: Das charmanteste Hotel liegt an der Küstenstraße (Strada Costiera) und heißt Riviera. Der Name sagt alles. Das um 1900 erbaute Haupthaus (das mittlerweile um einige neue Zubauten erweitert wurde) liegt inmitten eines wuchernden Parks und vermittelt das Flair „vergangener Tage“. Aus den geschmackvoll ausgestatteten Zimmern genießt man Cinemascope-Ausblicke auf die glitzernde Bucht vor Schloss Miaramare. Und apropos Cinemascope: Der Strand, der entweder über eine steile, meandernde Stiege zu Fuß oder mittels eines spektakulären Turm-Lifts zu erreichen ist, strahlt – wie Triest-Insider Georges Desrues in seinem Stadtführer „Triest für Fortgeschrittene“ schreibt – den Charme des italienischen Kinos der 1950er Jahre aus. Das Frühstück spielt sich im Riviera auf einer großen Terrasse über dem Meer ab; das hoteleigene Restaurant offeriert vor allem Fischspezialitäten (Tipp: Crudo di pesce). Das Riviera ist der ideale Ort für „kleine Fluchten“ aus dem modernen Alltag; für leidenschaftliche Dubai-Urlauber allerdings vermutlich der falsche Platz.
Weitere gute Hotels in Triest: Duchi D’Aosta, Hilton Double Tree, Savoia.)
Speisen: Vor allem „Pescetarier“ kommen in Triest auf ihre Rechnung. Unter der Vielzahl von Osterie und Trattorie, auf die man rund um die Piazza Unità d‘Italiana fast zwangsläufig stößt, sei an dieser Stelle eine Adresse hervorgehoben, die dem Vernehmen nach auch der Bürgermeister von Triest gerne aufsucht (und der wird schon wissen, wo’s gut schmeckt): die Trattoria Antiqua Ghiaceretta, ein ehemaliges Eislager (ghiaccio = Eis), das vor allem mit herrlich zubereiteten Meerestieren aufwartet. Besonders empfehlenswert ist hier das triester „Signature dish“ schlechthin – Gran fritto misto die pesce (gebackene Fischlein). Nicht minder köstlich munden Crudo di pesce (rohe Fischspezialitäten), Involtini di orata (Röllchen von der Goldbrasse) oder Baccalà al forno (Kabeljau aus dem Ofen). Aber auch Landschinken mit Senf und Kren gibt es hier auf der Karte – das klingt auf Italienisch noch schöner: „Il culatello di Zibello con la mostarda e il kren“).
Weitere empfehlenswerte Fischlokale in Triest: Osteria Salvagente, Nerodiseppia, Tavernetta al Molo.
Trinken: Neben Fisch aus dem Golf (wobei nicht alles, was als „aus dem Golf“ apostrophiert ist, auch tatsächlich aus dem Golf kommt; vieles wird aus der Kvarner Bucht, manches aus dem französischen Atlantik angeliefert) sind auch Wein und Kaffee zwei kulinarische Attraktionen Triests. So kommt man kaum um den traditionellen Pflichtbesuch im eleganten Cafè degli Specchi auf der Piazza Unità herum – Insider ordern hier einen Capo in b (= Macchiato im Glas; „b“ steht für „bicchiere“). Und den authentischsten triester Wein kann man, wenn man einen kleinen Ausflug in den Karst unternimmt, in den sogenannten Ozmise entdecken (der Begriff kommt aus dem Slowenischen und bedeutet „8“; denn unter Joseph II. durften diese ortstypischen Buschenschanken nur acht Tage im Jahr offen haben).
Die besten Ozmise rund um Triest: Skerk, Kante, Bole, Ferluga.
Shoppen: Wer sich schließlich – immer wieder traurig, aber wahr – auf die Heimfahrt einstellen muss, kann sich noch mit Reiseproviant bzw. kulinarischen Souvenirs aus Triest im Kaufhaus „Eataly“ im pittoresken Alten Hafen eindecken. Hier wird die ganze Vielfalt italienischer Pasta, Salumi und Steakspezialitäten offeriert. In einer hübschen Cafeteria mit Panoramablick aufs Meer kann man sich hier auch noch einmal so richtig mit „Italianità“ aufladen – ehe man auf der Autobahn dem Sehnsuchtsort wieder den Rücken kehrt …
Christoph Hirschmann
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