5 Fragen / 5 Antworten mit Vizebürgermeisterin, Wohn-und Frauenstadträtin Kathrin Gaal

Beitrag im Vienna Eco Magazin beigelegt im Kurier vom 23.6. 2022

Der Soziale Wohnbau und die Frauen im Fokus

Wiens Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál über lebenswertes Wohnen, Hilfe für Alleinerzieherinnen und die Seestadt Aspern, in der Straßen und Plätze an starke Frauen erinnern.

 

Die „Süddeutschen Zeitung“ titelte in einer Reportage über Wohnen in Wien: „So geht Wohnen!“ Was kann Wien in dieser Hinsicht, was andere Großstädte nicht können?

 

Kathrin Gaál: In Wien wird seit über 100 Jahren leistbares und lebenswertes Wohnen als Grundrecht, das als entscheidender Faktor für sozialen Frieden, Zusammenhalt und Lebensqualität gilt, gesehen. Insgesamt leben in Wien heute mehr als 60 Prozent der Wienerinnen und Wiener im geförderten Wohnbau, davon knapp eine halbe Million im Wiener Gemeindebau. Diese soziale Wiener Wohnbaupolitik, ein weltweites Vorzeigemodell für leistbaren und lebenswerten Wohnraum, hat zusätzlich einen weiteren wichtigen positiven Effekt für alle Wienerinnen und Wiener: eine preisdämpfende Wirkung auf den gesamten Wohnungsmarkt Nicht zuletzt deswegen erfreut sich der Standort Wien über größte Beliebtheit und permanenten Zuzug. Darüber hinaus bietet das Leben in Wien alle Möglichkeiten eines CO2-reduzierten Lebensstils bei vergleichsweise deutlich geringerer Pro-Kopf-Versiegelung. Das soziale Wiener Wohnbaumodell ist keine Selbstverständlichkeit, sondern das Ergebnis bewusster politischer Entscheidungen mit nachhaltigen positiven Auswirkungen, leistbares Wohnen in Wien sicherzustellen.

 

Erst kürzlich wurde wieder berichtet, dass fast die Hälfte der alleinerziehenden Frauen an der Armutsgrenze leben. Wie unterstützt die Stadt Wien solche Frauen beispielsweise im Bereich Wohnen?

 

Gaál: Die Belastungen durch die Corona-Zeit treffen Alleinerziehende besonders hart. Gerade diese Gruppe ist besonders auf Unterstützung – und auf leistbaren Wohnraum – angewiesen. Gerade erst haben wir als Wiener Stadtregierung beschlossen, Alleinerziehende mit zusätzlichen 100 Euro für Energiekosten zu unterstützen. Damit erhalten alle bezugsberechtigten Alleinerziehenden eine erhöhte Soforthilfe von 300 Euro. Wir unterstützen Alleinerziehende verstärkt. Das machen wir z.B. mit dem Wohn-Bonus für Alleinerziehende im Gemeindebau. Die Bilanz nach eineinhalb Jahren: Seit dem Start im Juli 2020 (1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2021) wurden insgesamt 383 Wohnungen über den neuen Wohnbedarfsgrund vergeben. Das zeigt, wie wichtig es ist, diese Gruppe, die besonders auf leistbaren Wohnraum angewiesen ist, zu unterstützen. Insgesamt haben in dieser Zeit sogar mehr als 1.200 alleinerziehende Wohnungssuchende eine geförderte oder Gemeindewohnung erhalten. Und: In jedem neuen großen geförderten Wohnprojekt werden Wohnungen für Alleinerziehende berücksichtigt. In der Wolfganggasse in Meidling wird ein ganzes Wohnquartier mit rund 850 geförderten Wohnungen sowie 214 Pflegeplätzen auf den Flächen einer ehemaligen Remise gebaut. Der Schwerpunkt der Entwicklung wurde hier speziell auf die Bedürfnisse von Alleinerziehenden gelegt. Gemeinschaftsräume auf den Etagen, Co-Working-Spaces, Spielplätze, innovative Wohnungsschnitte und Kinderbetreuungseinrichtungen in unmittelbarer Umgebung sollen das Leben von Alleinerziehenden hier im praktischen Alltag erleichtern. zusätzlich wurden hier keinerlei Flächen versiegelt, sondern werden ganz im Gegenteil sogar Flächen entsiegelt und begrünt.

 

In der Seestadt Aspern werden Straßen und Plätze nach weltberühmten und verdienten Frauen benannt. Gibt es da einen großen Nachholbedarf?

 

Gaál: Ja, wenn man die Straßennamen in ganz Wien betrachtet, gibt es hier Nachholbedarf. Der Großteil der Verkehrsflächen ist nach Männern benannt. Die Seestadt Aspern geht hier neue Wege. Die Straßennamen in der Seestadt erinnern an starke Frauen und ihre herausragenden Leistungen. Damit holen wir Frauen vor den Vorhang und machen sie sichtbar. Wien wird für viele urbane Projekte und Qualitäten gelobt, die wir Frauen verdanken. Sie sind Pionierinnen und Vorbilder – und machen anderen Frauen Mut, ihre Visionen zu verwirklichen!

 

Schon vor 100 Jahren wurde die Stadt Wien bezüglich ihrer kolossalen Gemeindebau-Offensive weltweit viel beachtet. Jetzt, ein Jahrhundert später, nimmt man dieses Konzept, in zeitgemäß adaptierter Form, wieder auf: mit dem Gemeindebau NEU. Was ist die Idee dahinter?

 

Gaál: Heute leben bereits rund 500.000 Wienerinnen und Wiener in einer Gemeindewohnung: Die Gemeindebau NEU Projekte sind die Antwort auf eine große Nachfrage nach kostengünstigen Wohnungen in einer wachsenden Stadt. Als perfekte Ergänzung zum erfolgreichen Konzept des geförderten Wohnbaus bereichern sie viele der neuen Stadt-Quartiere wie z.B. das Stadterweiterungsgebiet Wildgarten im 12. Bezirk oder in Neu Leopoldau in Floridsdorf. Es wird besonders darauf geachtet, dass für die Schaffung von neuem, hochwertigen Wohnraum versiegelte Flächen genutzt werden. So wird zum Beispiel für den derzeit größten Gemeindebau des neuen Bauprogramms am Handelskai 214a die Fläche eines alten Parkhauses genutzt. Sieben Wohnhäuser mit 332 Gemeindewohnungen NEU – alle verfügen über einen Balkon – und vielen Gemeinschaftseinrichtungen für ein gutes Miteinander sind hier entstanden. Und schon in wenigen Wochen werden die Bewohner*innen in ihr neues Zuhause einziehen.  Der große Vorteil neben den leistbaren Mieten ist, dass Wohnungssuchende keine zusätzlichen finanziellen Belastungen stemmen müssen: Weder Eigenmittel müssen für die neue Wohnung aufgebracht werden, noch Kaution. Außerdem geben die neuen Gemeindewohnungen Sicherheit auf Jahre: Alle Mietverträge werden unbefristet abgeschlossen.

 

 Wenn wir kurz in die Zukunft blicken wollen: Wie wird man beispielsweise im Jahr 2040 – da soll die Stadt ja klimaneutral sein – in Wien wohnen? Könnten Sie uns da einige Entwicklungslinien in Richtung einer intelligenten Stadt der Zukunft nennen?

 

Gaál: Wir bauen den Sektor des sozialen Wohnbaus in Wien laufend aus. Dabei versuchen wir die Herausforderungen der Zukunft vorab zu lösen. Die Leistbarkeit bei gleichzeitig hoher Lebensqualität steht im Mittelpunkt. Gute Infrastruktur und ausreichend Ausbildungsplätze, Grünraum und Naherholungsgebiete ums Eck sollen die Wege des Alltags erheblich verkürzen. Natürlich darf man das Thema Arbeit nicht ausklammern. Nicht erst seit Corona gibt es neue Anforderungen an den Wohnumgebung als Arbeitsbereich. Das Wiener Wohnbauprogramm entwickelt sich ständig weiter und geht dabei neue, kreative Wege. Wir starten beispielsweise mit dem 1. Wiener Wohnbaumprogramm. Hier entstehen an 6 Standorten geförderte Wohnungseinheiten in einer ökologischen Holz- bzw. Holzhybridbauweise. Bei jeglicher Innovationskraft und Zukunftsgewandtheit muss im Zentrum der Politik allerdings immer der Mensch und seine Bedürfnisse stehen. In Wien wird jetzt und auch in Zukunft niemand zurückgelassen.

Foto: David Bohmann_PID