Weine, Emotionen und Erfolge

„Sprich“ Interview von Christoph Hirschmann mit Unternehmer Hans Schmid.

Hans Schmid ist einer der erfinderischsten und erfolgreichsten Unternehmer Österreichs. Als Besitzer der Agentur GGK-International revolutionierte er die Werbebranche. Heute ist der jugendliche 80-jährige Kaufhausbesitzer, Großwinzer und Hotelier. Ein Interview über guten Döblinger Wein, unternehmerische Emotionen, die Sozialdemokratie und die bevorstehende Wien-Wahl.

Redaktion: Wir sitzen hier beim „Pfarrwirt“, der ältesten Gaststätte Wiens, unter einem wunderbaren Nussbaum. Hans Schmid: Wir haben schon manchmal Angst um ihn gehabt, weil er braune Blätter bekomnen hat. Seither lasse ich ihn zweimal im Jahr kontrollieren und pflegen. Er gehört zum Haus.

Redaktion: Angeblich war es Ihr Traum, hier zu landen. Schmid: Überhaupt nicht! In meinem Leben haben Zufälle eine große Rolle gespielt. Ich war öfters eingeladen in einem wunderschönen Haus, dem „Roten Haus“ am Nussberg. Und eimnal hab‘ ich gesagt: „Wenn Sie das einmal verkaufen, sagen Sie’s mir! Nach drei Jahre wurde ich angerufen, und ich hab’s gekauft. Dann kam mein erster Gast, der berühmte Pianist und liebe Freund Rudolf Buchbinder und sagte: „Der Wein ist nicht zum Saufen!“ Und so bin ich zum Ökonomierat Ing. Mayer gegangen und hab‘ ihm gesagt: „Herr Ökonomierat, möchten Sie nicht meinen Wein machen?“ Und er antwortete: „Ja, gern!“ Dann haben wir mit einem Riesling, 27 Jahre alt, auf Du und Du angestoßen, und er sagte: „Jetzt tu‘ ich mir leichter!“ Und ich fragte ihn: „Inwiefern leichter?“ Drauf er: „Kauf doch alles!“ Womit er auch den Gastronomiebetrieb gemeint hat. Es war nicht sehr teuer, aber er hat mir gesagt, dass ich das Dreifache investieren muss. Ich habe das nicht als Geschäft, sondern als Verpflichtung gesehen.

Redaktion: Der Mayer war der Wiener Weinpapst. Schmid: Er war der Doyen des Wiener Weins, und er hat den „Gemischten Satz“ forciert. Ja, und dann habe ich angefangen zu kaufen – Weingärten, Weingärten, Weingärten! Und heute haben wir 74,7 Hektar Weingärten. Damit sind wir die Nummer eins in Wien.

Redaktion: Wer waren zu Beginn Ihre „Winemaker“? Schmid: Der erste war Willi Balanjuk, ein sehr angesehener Weinjournalist. Die Nichte von Franz Mayer – Barbara Wimmer – habe ich als Kellenneisterin übernommen. Und dann stieß noch Gerhard Lobner dazu, auch so ein rebellischer „Weinbauembua“, der gegen die alten Methoden angetreten ist.

Redaktion: Das alles bedeutet, dass sowohl „Transpiration“ als auch Inspiration hinter Ihren Erfolgen stecken. Schmid: Ich würde sagen: Witterung! Die meisten Geschäfte meines Lebens hab‘ ich aus Emotionen gemacht – obwohl wir nie ohne Netz geturnt haben. Ich hätte ja zum Beispiel den Herzmansky übernehmen können, da hätte ich mich bald mit großer Jahresmiete in die Rente verabschieden können. Aber was hätte ich damit anfangen sollen? Auf eine Insel gehen und mir eine Yacht kaufen? So habe ich mich für das schwierigste Haus in der Gruppe entschieden – den Steffl. Vielleicht auch, weil mich mit dieser Adresse – Kärntner Straße – etwas sehr Persönliches verbindet.

Redaktion: Also, zusammenfassend: Gute Mitarbeiter  sind wichtig. Schmid: Das Um und Auf sind gute Mitarbeiter und ein gutes Gespür sind essenziell. Ja. Aber ich habe manche emotionale Entscheidungen auch bereut. Zum Beispiel, als ich die GGK-International gekauft habe und nach einein halben Jahr draufgekommen bin, welche „Leichen“ in New York, in Paris und auch in London im Keller liegen. Mit dem Kauf der GGK-Intemational waren wir Nummer sieben weltweit. Aber dies ist bei uns in der Öffentlichkeit irgendwie untergegangen.

Redaktion: Das war harte Knochenarbeit? Schmid: Die Sanierung war eine Sisyphusarbeit, da habe ich schon viel Kraft gelassen und bin 15 Monate nur im Flieger gesessen. Aber wir haben die Gruppe gut hingebracht, dass wir sie verkaufen konnten. Um sehr gutes Geld.

Redaktion: Sie sind auch Quereinsteiger-Hotelier. Schmid: Wieder ein Zufall: Mir wurde das Parks Hotel in Velden – eigentlich so ganz nebenbei, am Rande der „Starnacht am Wörthersee“ – angeboten. Und ich bin dann mit dem Boot vorbeigefahren und habe mir gedacht: An einem kleinen Moorsee in Villach bist Du  aufgewachsen, und jetzt kommst zurück und bist am Wörthersee!

Redaktion: In Österreich waren Sie mit der GGK Nummer eins und hatten die besten Kampagnen, wie jene für Römerquelle, Palmers oder Max Mobil, kreiert. Schmid: Wir waren die Nummer 1, und wir haben einen neuen Managementstil hereingebracht. Wir haben gesagt: Wir kündigen niemanden! Und wenn einer schlecht ist, bemühen wir uns, ihn besser zu machen.

Redaktion: Sie sind Sozialdemokrat … Schmid: … ja, aus tiefstem Herzen, und jetzt werden Sie mich fragen: Wie ist das vereinbar mit Unternehmerturn?

Redaktion: Nein, wir möchten Sie etwas anderes fragen: Bereits in den 1980er Jahren hat Ralf Dahrendorf das „Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts“ ausgerufen. Heute wäre er vermutlich nicht mehr so sicher. Manche Entwicklungen schreien förmlich nach einer starken Sozialdemokratie. Schmid: Leider gibt es heute für die Sozialdemokratie ein Profilierungs-Problem. Aber Kärnten zeigt, wie es geht, und ich bin überzeugt, dass die Sozialdemokratie wieder wie Phoenix aus der Asche steigen wird. Aber zu der Frage, die im Raum steht: Ja, ich bin Sozialdemokrat. Ich komme aus einem sozialdemokratischen Haus. Mein Ziehvater hat mich geprägt. Er wurde in Marburg als lediges Kind geboren, und er wurde Kommunist – Spanischer Bürgerkrieg, Dachau, Lublin-Majdanek, Auschwitz, Mauthausen, Befreiung. Der Mann war durch seine Unbeirrbarkeit und durch seine Anständigkeit mein Vorbild.

Redaktion: Inwiefern folgen Sie dem Vorbild Ihres Ziehvaters? Schmid: Er war sehr konsequent und gleichzeitig sehr emphatisch. Wenn man Leute kündigt, so muss man wissen, dass es damit oft auch ein großes Problem für die Menschen gibt. Aber mein Status bleibt gleich. Als Unterrehmer bist du in den meisten Fällen der sozial Stärkere. Deshalb gehen wir mit Kündigungen sehr vorsichtig um.

Readktion: Unternehmer müssen also keine Menschenfeinde sein? Schmid: Ich habe Unternehmer nie als Menschenfeinde gesehen und verfolge das Prinzip: Gewinnmaximierung ist streng verboten! Das verstehen viele Leute nicht. Aber mit Empathie und Großzügigkeit haben wir immer bessere Erfolge als die, die nach dein Shareholder-Prinzip handeln.

Redaktion: Sie sind Kärntner und Wahlwiener — in drei Monaten sind hier Wahlen … Schmid: Ich fühle mich in Wien sehr wohl. Das ist auch ein großer Verdienst der Sozialdemokratie. Ich empfehle meinen Freunden und Bekannten, Bürgermeister Ludwig zu wählen. Denn keine andere Stadt, und ich kenne viele, ist so gut gemanaget wie Wien. Und als Gastronom führe ich gerne die Wiener Küche an. Wo sonst auf der Welt ist die Küche nach einer Stadt benannt?