Future Energy: Michael Strebl, Vorsitzender Wien Energie im Interview
Beitrag Vienna Eco Magazin, beigelegt im Kurier, vom 23.6.2022
Future Energy: Nachhaltige Energieversorgung für die Zukunft:
Speziell seit der Debatte um russisches Gas scheint die Forderung nach alternativen Energie-Optionen akut geworden zu sein. Wo liegen hier die Prioritäten?
Wien will raus aus Gas, um Klimaneutralität zu erreichen. Unser Ziel war bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine klar: Bis 2040 soll die Wiener Energieversorgung klimaneutral und unabhängig sein. Und dabei weiterhin so sicher und zuverlässig wie heute. Der Krieg in der Ukraine führt uns vor Augen, dass es wichtiger denn je ist, von fossilen Gasimporten wegzukommen und eine unabhängige Versorgung der Stadt sicherzustellen. Einer der wesentlichen Hebel am Weg zur Klimaneutralität ist dabei die Wärmeversorgung. Wien heizt bereits jetzt schon umweltfreundlich. Fernwärme spart jährlich 1,5 Millionen Tonnen CO2. Um die Wärmeversorgung bis 2040 komplett zu dekarbonisieren, setzen wir auf Großwärmepumpen und Geothermie. Zusätzlich nutzen wir so viele Abwärme-Quellen wie möglich – erst kürzlich haben wir etwa die Therme Wien ins Fernwärmenetz integriert. Jetzt nutzen wir sozusagen das gebrauchte Badewasser zur klimafreundlichen Beheizung von fast zweitausend Haushalten in Oberlaa.
Im Gebäudesektor darf auch das Thema Kühlen nicht außer Acht gelassen werden. Wien Energie setzt hier seit 15 Jahren auf Fernkälte und baut diese massiv weiter aus. Sie spart im Vergleich zu konventioneller Kühlung deutlich CO2 und auch Primärenergie. Nur wenn wir auch Energie sparen und unseren Verbrauch reduzieren, werden wir die Klimaziele erreichen und uns aus der Abhängigkeit befreien können.
Eine der größten Offensiven der Stadt stellt die Photovoltaik-Offensive dar. Was ist hier für die nächsten Jahre und Jahrzehnte geplant?
Die Dächer der Stadt sind unsere natürliche Ressource. Das Burgenland und Niederösterreich haben den Wind, der Westen die Flüsse. Wien hat Dächer und wir machen diese zu Öko-Kraftwerken mitten in der Stadt. Mehr als 320 Anlagen mit rund 85 Megawatt Leistung hat Wien Energie heute schon in Betrieb und ist damit der größte Photovoltaikbetreiber Österreichs. Im Schnitt errichten wir jede Woche ein weiteres Solarkraftwerk. Allerdings reicht die Errichtung von PV-Anlagen auf Dächern nicht aus, um das österreichische Klimaziel zu erreichen. Deshalb ist es auch dringend notwendig, Freiflächen für die Solarstromproduktion zu nutzen. Als ideales Beispiel hierfür dient die Schafflerhofstraße – auf einer der größten Anlagen Österreichs kombinieren wir Landwirtschaft und Energieerzeugung und nutzen so wertvolle Fläche besonders effizient. Bis 2030 werden wir die Leistung der Solarstromerzeugung auf mindestens 600 Megawatt erhöhen und 250.000 Haushalte – das sind mehr als Favoriten, Donaustadt und Floridsdorf zusammen – mit Sonnenstrom versorgen können.
Wien ist in puncto sauberer Fernwärme sehr erfinderisch – so versorgt beispielsweise die Traditionsfirma „Manner“ mit ihrer Abwärme tausende Haushalte. Können Sie noch einige so fantasievolle und zum Teil auch spektakuläre Projekte nennen?
Was die Fernwärme betrifft, versuchen wir möglichst jede Gelegenheit zu nutzen, um die Stadt mit sauberer Wärme zu versorgen und von der Kreislaufwirtschaft Gebrauch zu machen.
Die Manner-Schnittenheizung ist hier besonders charmant, aber auch die Therme Wien habe ich bereits erwähnt. Klug ist auch unsere Lösung in der UNO City. Hier wird mit Hilfe von Wärmepumpen Kälte zu Fernwärme umgewandelt. Ähnlich verhält es sich bei der Großwärmepumpe in Simmering, die 25.000 Haushalte auf umweltfreundliche Weise mit Wärme versorgt. Außerdem arbeiten wir an einem gemeinsamen Projekt mit der Klinik Floridsdorf und dem Rechenzentrum Interxion. Die Abwärme aus riesigen Serverräumen wird bald die Wärme für das Spital liefern. So schaffen wir eine optimale Nutzung von lokalen Ressourcen. Energie aus Wien für Wien!
Zuletzt spricht man immer mehr von Wasserstoff als saubererer neuer Energieform – und auch vom „Abenteuer“ der Geothermie, wo man in der Seestadt Aspern bis zu 3.000 Meter in die Tiefe geht … Ist das eher „Zukunftsmusik“, oder kommt man da schon „in die Gänge“?
Seit 2016 erforscht Wien Energie im Projekt GeoTief Wien gemeinsam mit Partner*innen aus Wissenschaft und Industrie umfassend den geologischen Untergrund im Großraum Wien. Jetzt liegen konkrete Ergebnisse in Form eines umfassenden geologisches 3D-Modells vor: In rund 3.000 Metern Tiefe liegt ein vielsprechendes Heißwasservorkommen für die Tiefe Geothermie, das sogenannte Aderklaaer Konglomerat. Bei einem Forschungstest Ende letzten Jahres konnten wir uns dann auch die tatsächliche Bestätigung holen: Hier gibt es heißes Wasser, das wir für die Wärmeversorgung der Stadt nutzbar machen wollen. Noch in diesem Jahr soll das erste Geothermie-Umsetzungsprojekt auf Schiene gebracht werden: Wenn alles nach Plan läuft, wollen wir in drei bis vier Jahren die erste Wärme aus geothermischen Quellen einspeisen.
Wien will mit Maßnahmen wie diesen bis 2040 CO2-neutral sein – schaffen wird das?
Wien Energie ist sich der Verantwortung als größtes regionales Energieunternehmen bewusst und hat deshalb bereits im Herbst 2021 einen klaren Fahrplan vorgelegt, wie Wien bis 2040 klimaneutral wird. Wir sind uns sicher: Wenn alle an einem Strang ziehen, dann wird diese Generationen-Aufgabe gelingen. Und wir wissen auch: Es ist alternativlos! Als Wien Energie investieren wir allein in den nächsten 5 Jahren über eine Milliarde Euro in den Gas-Ausstieg. Mit den gebündelten Kräften aller Mitarbeiter*innen von Wien Energie – egal ob im Betrieb, in der Forschung, in der Projektentwicklung oder im Kund*innenservice – arbeiten wir jeden Tag daran, dass Wien 2040 klimaneutral und unabhängig sein wird. Wie heißt es in unserem Marken-Claim so schön: Wer, wenn nicht wir?
Foto: Martina Draper